HISTORISCH BEDEUTENDER ORT

Sie befinden sich im Dorf Loučky, einem Ort, der nicht nur mit schönen Aussichten, sondern auch mit interessanten historischen Ereignissen aufwartet.

Die Rede ist von Ereignissen, die eng mit der Geschichte der Brüder-Unität – einer alten böhmischen reformierten Kirche – verbunden sind, die Böhmen und der Welt solch wichtige Persönlichkeiten wie Johannes Blahoslaus, Johannes Jessenius, Johann Amos Comenius u.a. schenkte. Gegründet im Jahr 1457 machte sich die Brüder-Unität darum verdient, Bildung und gesundheitliche Versorgung der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Außerdem trug sie zur Verbreitung des Buchdrucks bei. Die von Johannes Blahoslaus erstellte Grammatik der böhmischen Sprache, die von ihm zusammengestellten Gesangsbücher (Cancionale) und die Veröffentlichung der Kralitzer Bibel waren ein wichtiger Beitrag zur Bewahrung der böhmischen Sprache im „dunklen Mittelalter“. Ein weiteres Wesensmerkmal der Brüder-Unität waren weitreichende Aktivitäten im Handwerk und anderen Bereichen. In späteren Jahrhunderten trug die Brüder-Unität diesen Ansatz dann auch in andere Länder der Welt, wo sie sich immer wieder für die Entwicklung von Bildung und Handwerk, die Förderung von Einzelnen und Gemeinschaften sowie die Erhaltung der Sprache der Einheimischen einsetzte.
Siegel der Johanna von Krajk und ihres Gatten J. von Schelmberg
- 1503 (links). Foto: SOkA Ml. Boleslav, Stadtarchiv Ml. Boleslav, sign. IAa10.
Wenzel Wilhelm Freiherr Budowecz von Budow (rechts) Foto: Die Brüderunität in Bildern, 1957


Doch nun zum Ausblick von dieser Bank: Direkt unterhalb von Loučky sieht man das Iser-Tal. Von hier aus ist nicht nur Turnov zu sehen, sondern auch Mnichovo Hradiště. Und lägen Mladá Boleslav und Benátky nicht hinter Hügeln, könnte man auch diese beiden Städte sehen. Genau hier in dieser Gegend herrschten im 15. und 16. Jahrhundert die gottesfürchtigen Herren von Cimburk und später von Schelmberg. Vor allem aber die Witwe Johanna von Krajk, die auf Burg Hrubý Rohozec (von der Bank aus direkt unter uns) residierte. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Gegend ein wichtiges Zentrum der Brüder-Unität wurde. Beim Blick auf Mnichovo Hradiště (rechts des Bergrückens linkerhand) ist unbedingt Wenzel Wilhelm Freiherr Budowecz von Budow zu erwähnen, der als protestantischer Politiker einen wichtigen Anteil am Majestätsbrief von Kaiser Rudolf II. (1609) hatte und deshalb 1621 zusammen mit 26 weiteren böhmischen Adeligen hingerichtet wurde. Nach der unglückbringenden Schlacht am Weißen Berg 1620 und der Hinrichtung in der Prager Altstadt 1621 mussten alle freien Menschen nichtkatholischen Glaubens, sofern sie nicht ihren Glauben nicht verraten, das Königreich Böhmen verlassen. Rechts hinter den Obstgärten (von der Bank aus gesehen) liegt der Ort Besedice und oberhalb von diesem das berühmte Felsenlabyrinth „Kelch“ (tschech.: Kalich), wo sich alldiejenigen, die nicht ins Exil gehen konnten, zu geheimen protestantischen Gottesdiensten zusammenfanden.
Gemeinde der Brüder-Unität in Turnov Anfang des 20. Jahrhunderts.
Foto: Archiv Jednota bratrská


Rund einhundert Jahre später – im denkwürdigen Jahr 1727 – kam es dann zur Erneuerung der während der Gegenreformation verbotenen Brüder-Unität. Hinter ihrer Erneuerung standen vor allem aus Mähren stammende Exulanten, die mit ihren Familien heimlich nach Sachsen geflohen waren und dort die Stadt Herrnhut gründeten hatten, wo die Brüder-Unität als Kirche wieder auferstand. Kurz darauf gingen viele von ihnen als Missionare in die ganze Welt hinaus (Nord-, Mittel- und Südamerika, Grönland, Afrika, Baltikum, Russland, Indien, u.a.). Da ein großer Teil der Exulanten aus Mähren stammte, wird die Brüder-Unität in der Welt bis heute auch als Mährische Kirche (engl.: Moravian Church) bezeichnet.
Jan Dušek zwischen Kindern (links). Foto: Archiv Jednota bratrská. František Hořák in Uniform (rechts). Foto: Gemeinde Loučky

Die Rückkehr der Brüder-Unität nach Böhmen und Mähren war jedoch erst nach dem sogenannten Protestantenpatent von 1861 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich. Die Erneuerte Brüder-Unität begann ihre Arbeit in der Umgebung von Turnov 1897 und in Loučky selbst im Jahr 1920, als Jan Dušek (auf dem Foto inmitten seiner Schüler) als Religionslehrer an die örtliche Schule berufen wurde. Später wurde er Prediger. Während des Zweiten Weltkriegs beteiligten sich die Mitglieder der Brüder-Unität in Loučky aktiv am Widerstand. In diesem Zusammenhang bezahlte František Hořák (Foto), der bekannteste Oberlehrer von Loučky, 1943 den höchsten Preis. Jan Dušeks Missionswirken war erfolgreich, sodass 1944 eine 533 Mitglieder zählende Gemeinde der Brüder-Unität in Loučky gegründet werden konnte. Das Grundstück, auf dem Sie gerade stehen, wurde angekauft, um hier ein großes Bethaus zu errichten (Studie des Bethauses als Abbildung). Doch dazu kam es wegen der Machtergreifung der Kommunisten im Jahr 1948 nicht mehr.
Entwurf des Gemeindehauses der Brüder-Unität, das hier errichtet werden sollte. Foto: Archiv Jednota bratrská

Gegenwärtig ist die Brüder-Unität (tschech.: Jednota bratrská) in zahlreichen Orten Tschechiens aktiv. Sie betreibt Gemeinschafts- und Familienzentren, Freizeiteinrichtungen und soziale Dienste für Jugendliche und Senioren. Es wurden wieder Mittel- und Grundschulen und Kindergärten gegründet und Sozial- und Gesundheitsdienste ins Leben gerufen. Diese Einrichtungen werden durch eigene unternehmerische Aktivitäten wirtschaftlich abgesichert und weiterentwickelt. Die meisten dieser Aktivitäten sind in der Region Liberec zu finden. Aus diesem Grund errichtet die Brüder-Unität in der Region auch eine Erinnerungsstätte, um an jene Mitstreiter zu erinnern, die bereits in die "oberen Gemeinde" vorausgegangen, also schon zu Gott heimgegangen sind.